Startseite
Bio
Bücher
Kurzgeschichten
Mörderische Rache
Auf Diebestour
Filme
Interessante Links
Impressum
 


Von Axel Bußmer

 

 

„Entschuldigung.“

Eine feste Männerhand klatschte auf meine linke Schulter. Ich zuckte zusammen und drehte mich erschrocken um. Welcher Grobian wollte etwas von mir? Hier kannte mich niemand.

Ich sah auf den Kehlkopf eines uniformierten Mannes. Neben ihm stand ein kleinerer Anzugträger. Etwa sechzig, übte eine sitzende Tätigkeit aus und hatte anscheinend ein Problem. Seine Augen wanderten ständig durch die Eingangshalle des Filmmuseums. Seine Hände verknoteten sich ineinander, wurden mit einem Taschentuch getrocknet und schienen gleich wieder feucht zu sein. Seine Brille befand sich auf einer ständigen Rutschtour.

„Entschuldigung.“ Nuschelte der Kleine. Ich hatte sein Gesicht schon einmal gesehen. Nur fiel mir jetzt gerade nicht ein, wo. „Können wir in mein Büro gehen?“

„Äh, warum?“

„Bitte, ich möchte hier kein Aufsehen erregen.“ Nuschelte er weiter.

Der Uniformierte hatte dagegen keine Bedenken: „Wir brauchen Sie.“

„Ich – ähem – bin privat hier.“

„Lassen Sie mich Sie ins Bild setzen.“ Fuhr der Uniformierte fort. „Hier wurden seit dem Beginn des Empfangs mehrere Brieftaschen gestohlen. Meine Männer bewachen die Ausgänge. Der Dieb kann nicht entkommen. Er muss sich noch in diesen Räumen befinden.“

„Und was habe ich damit zu tun?“

„Als POK des LKA sind sie –„

„Ja. Schon klar.“ Knurrte ich. „Ich bin bei der Mordkommission.“

„Bitte.“ Flüsterte der Anzugträger. Anscheinend stand er inzwischen vor einem Nervenzusammenbruch.

Und mir fiel endlich ein, woher ich ihn kannte. Es war der Direktor des Filmmuseums, Hans Helmut Prinzler. Ich hatte ihn vor einigen Tagen im RBB gesehen. Da wirkte er wesentlich souveräner. Obwohl – ich konnte ihn schon verstehen: da organisiert man wochenlang einen schönen Abend, lädt eine Menge bekannter Menschen ein – und dann werden die Gäste ausgeraubt. Unter den Augen der Presse!

Nun gut. Die Bitte eines Direktors konnte ich schlecht abschlagen. Schließlich war es meine Selbstherrlichkeit gewesen, die mich zum Zücken des Ausweises am Eingang veranlasste. Sonst wäre ich nicht in die Finisssage der Ausstellung „Die Kommissarinnen“ gekommen. In den vergangenen Monaten hatte ich den Besuch immer wieder aufgeschoben bis zur letzten Gelegenheit die Bilder von Herlinde Koelbl anzusehen und mir ein Autogramm von Doris Gercke zu besorgen. Die Bilder hatte ich mir bereits angesehen, die Gercke war anscheinend nicht da.

Ich nickte: „Gut, Herr Direktor, ich sehe mich um.“

Er blieb unschlüssig stehen.

„Das weitere bespreche ich mit ihm.“ Ich deutete auf die Uniform. Er verstand den Wink, nickte dankbar und widmete sich wieder seinen Gästen.

„Also?“

„Peter Struwe, Leiter des Sicherheitsdienstes.“ Stellte er sich vor. „Vor einer Viertelstunde erhielt ich die Nachricht, dass bei einer unserer Besucherinnen das Portemonnaie aus der Handtasche gestohlen wurde.“

„Wer?“

„Äh.“ Er holte einen Block aus seiner Uniformtasche und schlug ihn auf. „Das war eine Doris Gercke.“

Ah, sie war da. „Kann ich mit ihr reden?“

„Sie ist noch in meinem Büro.“

„Sehr gut.“

„Danach kamen noch zwei weitere Personen zu mir.“ Er nannte mir ihre Namen. Aber sie sagten mir nichts. „Sofort nach dem ersten Vorfall veranlasste ich meine Männer, die Ausgänge zu schließen und jede Person zu durchsuchen. Der Taschendieb kann nicht entkommen. Das habe ich dem Chef auch schon gesagt. Aber er bestand darauf, einen Fachmann einzubeziehen.“

Fachfrau, du Chauvi, dachte ich und lächelte ihn strahlend an. „Das war eine weiße Entscheidung.“

 

 

 

 

Einige Minuten später entdeckte ich die knapp fünfzigjährige Taschendiebin. Sie streifte mit einem Sektglas durch die Scharen der Gäste, rempelte hier jemand an, dort jemand anderes, entschuldigte sich und zog den Geldbeutel aus der Umhängetasche oder der Hosentasche. Einige Männer trugen ihre Brieftasche inzwischen in ihrem Jackett. Sie stieß sie leicht an, redete mit ihnen, gab ein Bussi und der Geldbeutel landete in ihrer Tasche. Sie war unglaublich schnell und geschickt. Ein wahres Talent.

Ich beobachtete sie bei ihrem Streifzug durch die Gäste. Jetzt, nachdem ich die Diebin kannte, konnte ich ihr zusehen. Sie würde mir nicht entkommen. Und ich sehe gerne einem Künstler bei der Arbeit zu. Vielleicht könnte ich noch etwas von ihr lernen.

Sie schlenderte zur Treppe und ging nach unten zu den Toiletten. Ich beobachtete sie von der Brüstung. Sie schob sich an den Gästen vorbei und leerte ihre Taschen. Die Gäste redeten einfach weiter; bemerkten sie überhaupt nicht. Sie war nur eine weitere Person im Gedränge.

Als sie fast unten angekommen war, drückte ich auf den Fahrstuhlknopf und fuhr nach unten.

 

 

 

 

Hinter mir ging die Toilettentür zu. Sie ging gerade auf die letzte Tür zu. Ich folgte ihr, während ich Latexhandschuhe über meine Hände zog.

Sie wollte gerade die Tür hinter sich schließen, als ich sie wieder aufdrückte.

„Was soll das?“ sagte sie.

Ich trat ein und schloss die Tür hinter mir.

„Ach, du bist es.“

„Petra, ich wusste nicht, dass du schon wieder draußen bist.“ Sagte ich.

„Zur Bewährung.“ Grinste sie.

„Und gleich wieder auf Tour.“

„Tja, die Gene.“

„Du hast dort draußen schön gearbeitet. Hat mir gefallen.“

„Hm.“

„Allerdings wirst du hier nicht mehr herauskommen.“

„Warum?“

„Du bist aufgeflogen. Der Sicherheitsdienst hat bereits alle Ausgänge versperrt und durchsucht die Weggehenden.“

„Woher weißt du das?“

„Nun, ich bin Kommissarin.“

„Nee, wir arbeiten im gleichen Gewerbe.“

„Für den Chef vom Sicherheitsdienst schon.“

„Oh.“

„Also: Gibst du mir jetzt die Beute?“

„Halbe-Halbe.“

„Alles. Oder ich verrate dich.“

„Das tust du nicht.“

Ich drückte ihr mit einem schnellen Griff die Luft ab. Mit einem überraschten Laut sackte sie ohnmächtig auf der Kloschüssel zusammen.

Ich durchsuchte schnell ihre Tasche. Das Geld nahm ich an mich und die Brieftasche von der Gercke steckte ich in meine Jackentasche.

 

 

 

 

Sie sah sich schnell die einzelnen Fächer an. Dann sah sie mir tief in die Augen. Wurde ich etwa feucht zwischen meinen Beinen?

„Danke. Es fehlt nichts.“

„Äh, könnten Sie mir einen Gefallen tun?“

„Was Sie wollen.“

Ich zog meine bereits stark zerlesene Galgenberg-Ausgabe von „Weinschröter, du musst hängen“ aus meiner Jackentasche. „Könnten Sie ihren Namen hier hineinschreiben?“

„Natürlich.“ Sie nahm das Buch, schlug es auf, zückte ihren Stift und schrieb hinein: „Für eine großartige Helferin in einer schwierigen Lage. In ewiger Dankbarkeit Doris Gercke“.

 

 

 

 

Auf dem Weg zur U 2 befühlte ich meine Taschen: links das signierte Buch, rechts das Geld. Kein schlechter Abend.

 

ENDE

 
Top